Defekte in Faserverbundmaterialien schon während des Produktionsprozesses entdecken – dies gelingt künftig mit Hilfe eines neuartigen Radarverfahrens, das die Kontrolle des Fertigungsprozesses von Faserverbundwerkstoffen wie Rotorblättern von Windkraftanlagen zerstörungsfrei und automatisch ermöglicht. Bislang erfolgte das Monitoring manuell per Sichtprüfung. Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR hat das innovative Verfahren zusammen mit den Konsortialpartnern Ruhr-Universität Bochum, Fachhochschule Aachen und der Aeroconcept GmbH im Projekt FiberRadar entwickelt.

Bei der Herstellung von glasfaserverstärkten Strukturbauteilen, wie sie etwa in Rotorblättern vorkommen, wird die Faserstruktur mit einer Harzmatrix fixiert. Unregelmäßigkeiten in der Ausrichtung und/oder im Verlauf der Faserverstärkung verändern die Struktureigenschaften und reduzieren somit die Qualität des entstandenen Verbundwerkstoffs. »Bei der Produktion von Rotorblättern werden Glasfaserlagen übereinander in einer Schale ausgelegt. Erfolgt dies nicht akkurat, kann es zu verschiedenen Defekten wie Wellenbildungen bzw. Ondulation kommen. Aber auch die Richtung der Faser kann sich verdrehen und somit die mechanischen Eigenschaften des Bauteils beeinflussen«, erläutert Projektleiter Dr. André Froehly vom Fraunhofer FHR in Wachtberg. Bislang war eine Untersuchung des Faserverlaufs und der Faserschichtung vor dem Einbringen der Harzmatrix nicht zuverlässig möglich, sodass Fehlstellen erst im Nachgang etwa durch Ultraschalluntersuchung gefunden werden konnten. Dies machte eine kontrollierte Prozesskette unmöglich und führte zu kostenintensiver Nacharbeit oder sogar zum Verschrotten von Bauteilen.

Großes Potenzial für die Produktion von Verbundwerkstoffen

Im Projekt FiberRadar haben die Forschenden nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich erstmalig auch die Ausrichtung der unteren Glasfaserschichten überprüfen lässt – zerstörungsfrei und automatisiert. Möglich macht es ein Millimeterwellen-Scansystem, bestehend aus einem Roboter, einem voll-polarimetrischen Radar und zugehöriger Bildgebungssoftware. Dieses nutzt auch die Polarisation (der Begriff kennzeichnet in der Antennentechnik die Richtung der elektrischen Feldkomponente einer elektromagnetischen Welle) der elektromagnetischen Wellen, das heißt, es kann mögliche Defekte auch durch Änderung der Polarisationsrichtung erkennen. Der Roboter scannt das Bauteil, das Radar übernimmt die Messungen, die anschließend von der Software zu einem 3D-Bild zusammengesetzt werden. Das Besondere: Während übliche Radare nur über einen Kanal verfügen und somit eine Polarisation zum Senden als auch zum Empfangen nutzen, schickt das neue Radar Signale in zwei Polarisationen aus – auch empfangen wird in zwei Polarisationen. Damit lassen sich nicht nur Faserstrukturen hochauflösend darstellen, sondern auch Defekte in tieferen Schichten einfach offenlegen. Zusätzlich verbessert die Brechungskompensation die Bildqualität: Sie rechnet Effekte heraus, die durch die Brechung vor allem in tieferen Schichten problematisch sein können. Indem die Forscherinnen und Forscher mit dem Radar die einzelnen Schichten abbilden, können sie auch Abweichungen in der Faserorientierung entdecken und das gesamte Volumen des Materials zerstörungsfrei überprüfen.

Im Projekt FiberRadar wurde die integrierte Radartechnologie der Ruhr-Universität, die Algorithmenexpertise des Fraunhofer FHR und die Robotikkompetenz der FH Aachen genutzt, um ein Messsystem zu realisieren, das die Fertigung von Faserverbundwerkstoffen und Kontrolle der gefertigten Bauteile in bis dato unerreichbarer Präzision ermöglicht. Durch die Erfahrung der Aeroconcept GmbH kann die Technologie damit direkt in den Fertigungs- und Monitoringprozess im Bereich der Windradblattherstellung integriert und eine Schlüsseltechnologie für qualitativ hochwertige Verbundwerkstoffe etabliert werden. »Wir freuen uns sehr über die vielversprechenden Ergebnisse zum Abschluss des Projekts FiberRadar. Wir planen, in Folgeprojekten das System in Richtung Produktreife weiterzuentwickeln, um es im Produktionsprozess einzusetzen. Hier möchten wir neben der Geschwindigkeit auch die Tiefenauflösung verbessern, um in kürzerer Zeit noch mehr mögliche Defekte zu erkennen«, so Froehly zu den nächsten Schritten. Das Projekt wurde aus den Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

Quelle: https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2023/maerz-2023/neuartiges-radarverfahren-analysiert-produktionsprozess-von-rotorblaettern-automatisch.html

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