Langstreckenflüge transportieren jährlich nur rund zehn Prozent aller Passagiere, erzeugen jedoch aufgrund der großen Distanzen und Flugzeiten rund 40 Prozent der CO₂-Emissionen des Luftverkehrs. Bereits durch kleine Änderungen in der Flughöhe, der Fluggeschwindigkeit und der Wahl des Energieträgers lässt sich die Klimawirkung signifikant reduzieren. Hinzu kommen speziell für den Flug in anderen Höhen entworfene Flugzeuge, die die Klimaverträglichkeit auch auf der Langstrecke mit entscheidend nach vorne bringen werden. Diese Ergebnisse haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Projekt KuuL (Klimafreundlicher ultra-effizienter Langstreckenflug) erarbeitet. Die Arbeiten fügen sich in das umfangreiche Forschungsengagement des DLR entlang der Luftfahrtstrategie zum klimaverträglichen Fliegen.
Reduktion der Klimawirkung mit vorhandenen Flugzeugen zeitnah möglich
Bei ihren Berechnungen haben die Projektbeteiligten Kerosin, nachhaltig erzeugte, CO₂-neutrale Synthesekraftstoffe – sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF) – sowie flüssigen Wasserstoff (LH₂) verglichen und in Verbindung mit geringfügig reduzierten Flughöhen und -geschwindigkeiten für die jeweiligen Energieträger benötigte Flugzeugentwürfe angefertigt. Die Klimawirkung, also den Einfluss der Emissionen auf den Klimawandel, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jeweils anhand der mittleren bodennahen Erwärmung der Atmosphäre über 100 Jahre verglichen. Dazu haben sie die Wirkung der neu entworfenen Flugzeuge über 3.000 Langstreckenflüge pro Jahr und über einen Betriebszeitraum von 23 Jahren simuliert.
Schnell bestätigte sich: „Für den Einsatz von SAF müssen keine komplett neuen Flugzeuge gebaut werden. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass alleine durch einen Wechsel von Kerosin zu SAF die Klimawirkung um etwa 25 Prozent verringert wird, ohne dass neue Flugzeuge erforderlich sind“, erläutert Projektleiter Dr. Martin Hepperle vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. „Die reine Klimawirkung der CO₂-Emissionen reduziert sich sogar um hundert Prozent, wenn SAFs CO₂-neutral produziert werden. Das bedeutet, bei der Herstellung dieser Synthesekraftstoffe wird nur so viel CO₂ abgegeben, wie zuvor durch Pflanzen oder andere Prozesse aus der Atmosphäre entnommen wurde“, erklärt Hepperle weiter.
Durch die Verwendung von SAF kann zusätzlich die Wirkung sogenannter Nicht-CO₂-Effekte reduziert werden. Kondensstreifen und daraus resultierende Kondensstreifen-Zirren sind dabei der bedeutendste Faktor. Da die Verbrennung von synthetischen Kraftstoffen zu weniger Rußpartikelemission führt, erzeugen SAFs weniger stark ausgeprägte Kondensstreifen. Die Wirkung von Stickoxiden und Wasserdampf wird davon allerdings nicht beeinflusst. Daher kann die Klimawirkung durch einen reinen Wechsel des Energieträgers nicht auf Null gebracht werden.
Durch einen Wechsel zu Wasserstoff sind weitere Einsparungen bei der Klimawirkung möglich, da hier zusätzlich die Stickoxid-Emissionen des Luftverkehrs stark reduziert werden, die zu zusätzlichem Ozon und einer Reihe weiterer indirekter Effekte auf Treibhausgase führen. „Doch auch hier müssen wir den Wasserstoff nachhaltig produzieren, also nicht aus fossilen Energieträgern“, erläutert Hepperle. Natürlich erzeugt der bei der Verbrennung des Wasserstoffs entstehende Wasserdampf in der Atmosphäre auch Kondensstreifen, also Nicht-CO₂-Effekte, die noch im Detail erforscht werden müssen. Man erwartet aber hier eine geringere Klimawirkung als bei konventionellen Kondensstreifen.
Langfristig sind neue Flugzeugentwürfe notwendig
Die langfristige Klimawirkung infolge der Emission der Flugtriebwerke hängt aber auch stark von der Flughöhe ab. „Wenn man zusätzlich zum Kraftstoffwechsel noch die maximale Flughöhe um bis zu 2.000 Meter verringert, kann eine Verminderung der Klimawirkung um bis zu 70 Prozent erreicht werden“, so Hepperle. Allerdings muss in dieser Flughöhe aufgrund der höheren Luftdichte auch die Flugzeugform angepasst und insbesondere die Flügelpfeilung verkleinert werden. Auch die Fluggeschwindigkeit müsste um bis zu 15 Prozent reduziert werden, um weiterhin energieeffizient zu bleiben. „Dies würde dann allerdings die Entwicklung neuer Flugzeuge erfordern“, erklärt Hepperle. Mit zunehmender Reduktion der Klimawirkung steigen jedoch die Betriebskosten an, da die Flugzeuge dann weniger Flüge pro Tag durchführen können. Zunächst nur wenig, dann aber immer rascher. „Hier muss langfristig ein Kompromiss zwischen Energiebedarf, Wirtschaftlichkeit und Klimawirkung gefunden werden“, so Hepperle.
Flugzeugentwürfe für Wasserstoffantriebe
Während mit Kerosin und SAF betriebene Flugzeuge mit gleichen Kraftstoffsystemen sehr ähnliche Entwürfe ergaben, unterscheiden sich laut Berechnungen der Projektbeteiligten Flugzeuge mit flüssigem Wasserstoff als Treibstoff deutlich von konventionellen Flugzeugen. „Vor allem das Tankvolumen sowie Integration und Sicherheit stellen für Langstreckenflugzeuge eine besondere Herausforderung dar“, erläutert Hepperle. Obwohl die Masse von Wasserstoff für die gleiche Energiemenge viel geringer als bei Kerosin oder SAF ist, wären größere und schwerere Tanks mit spezieller Temperaturisolierung sowie wesentlich komplexere Kraftstoffsysteme und neuartige Brennkammern in den Triebwerken erforderlich. Um die großen Wasserstofftanks unterzubringen, müsste auch der Rumpfdurchmesser vergrößert werden.
Allerdings zeigte sich entgegen den Erwartungen der Forschenden, dass Wasserstoff auch für die Langstrecke langfristig eine Option sein kann. Ein mit LH₂ betriebenes Flugzeug benötigt etwas mehr Energie als eines mit SAF. „Berücksichtigt man aber den etwa 30 Prozent geringeren Primärenergiebedarf bei der Produktion von LH₂ im Vergleich zu SAF, zeigt sich ein Potential für diesen Technologiepfad“, erläutert Hepperle. „Die großen technologischen Herausforderungen bei der Nutzung von LH₂ erschweren allerdings eine Prognose, ob SAF oder LH₂ langfristig klimafreundlicher und wirtschaftlicher auf der Langstrecke sein wird.“
In einem Folgeprojekt werden die Forschenden der einzelnen Fachdisziplinen bestehende Unsicherheiten in den Modellen weiter verringern, zum Beispiel hinsichtlich der potentiell größeren aerodynamischen Lasten in niedrigeren Flughöhen, und neue Technologien untersuchen, um die Klimawirkungen und das Entwicklungsrisiko für die industrielle Anwendung zu minimieren.
Am DLR-Projekt KuuL waren neben dem DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, die DLR-Institute für Systemarchitekturen in der Luftfahrt, für Luftverkehr, für Antriebstechnik und für Physik der Atmosphäre beteiligt.
Quelle: DLR