Die diesjährige Weltklimakonferenz COP27 in Sharm-El-Sheik (Ägypten) hat kein geringeres Ziel, die vollständige Umsetzung des Pariser Abkommens sicherzustellen. Denn die Zeit drängt. In Ihrer Rede in der Eröffnungszeremonie des COP27 World Leaders Summit spricht Prof. Veronika Eyring aus, was wohl die meisten im Saal denken: „Der jüngste Klimawandel ist beispiellos. Wir alle wissen und spüren das.“ Die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre erreicht jedes Jahr neue Rekordwerte. Infolgedessen lag die globale Erwärmung bereits im Jahr 2020 bei 1,1 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau.

Eindringlich richtet die Wissenschaftlerin vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Universität Bremen einen Appell an das Publikum: „Die wissenschaftlichen Beweise sind eindeutig. Aber wir sind nicht auf Kurs! Jede weitere Verzögerung bei der Ergreifung kollektiver globaler Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Abschwächung seiner Folgen wird dazu führen, dass wir das kurze und sich schnell schließende Zeitfenster verpassen, um eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern.“

Klimamodelle verbessern

Atmosphärenforschung und Klimamodellierung einschließlich der Entwicklung und Anwendung von Methoden der künstlichen Intelligenz gehören zu den Forschungsschwerpunkten von Prof. Veronika Eyring. Die Arbeiten von ihr und ihrem Team tragen maßgeblich zur Verbesserung von Klimamodellen und deren Bewertung mit Erdbeobachtungsdaten bei. Ihre Forschungsergebnisse liefern Entscheidungsgrundlagen für die internationale Klimapolitik. Als koordinierende Leitautorin von Kapitel 3 „Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem“ hat sie zum Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sechsten Sachstandbericht der Arbeitsgruppe I beigetragen und war als Autorin an der Erstellung der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger (Summary for Policiymakers, SPM) beteiligt.

Der Abgleich von Erdbeobachtungsdaten und Erdsystemmodellen gilt als wichtige Grundlage für die Verbesserung von Klimavorhersagen. „Wir sind im DLR prädestiniert für die Entwicklung dieser Anwendungen. Wir haben die notwendigen Daten aus der Raumfahrt und die Infrastruktur, mit denen wir die Analysen durchführen können“, erklärt Prof. Markus Rapp, Direktor des Instituts für Physik der Atmosphäre. Die Erdbeobachtung, insbesondere die Beobachtungen durch Satelliten aus dem All, versorgt uns mit dem nötigen Wissen, um das System Erde zu verstehen und zukünftige Veränderungen unseres Klimas zu erkennen.

Klimaziele überwachen

Sie können auch das richtige Werkzeug sein, um die Einhaltung von Klimazielen und die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zu überprüfen. Die Satelliten liefern zum Beispiel wichtige Informationen über den Zustand der globalen Eismassen wie beispielsweise des Grönländischen Eisschilds, die Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre, den Anstieg des Meeresspiegels und Veränderungen in der Vegetation. Außerdem sammeln sie Daten über die weltweite Entwaldung und damit die Schädigung der Waldökosysteme.

„Erdbeobachtung hilft nicht nur bei der wissenschaftlichen Beurteilung des Sachstandsberichts des Weltklimarats und der Feststellung des Zustands des Klimas, sondern sie ist inzwischen auch so weit, dass operationelle Systeme wie Copernicus CO2MVS (Copernicus CO2 Monitoring Verication System), ein System mit zwei Satelliten, das ab dem Jahr 2026 die CO2-Emissionen global flächendeckend ableiten kann, oder andere in Zukunft bei der Verifikation des Pariser Klimaabkommens eine immer bedeutendere Rolle übernehmen können“, erläutert Dr. Albrecht von Bargen, Ansprechpartner für die satellitengestützte Klimabeobachtung in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR und Sprecher der Arbeitsgruppe Klima der Raumfahrtagenturen bei der COP27.

Ein globales Problem braucht eine globale Perspektive

Während des „Earth Information Day“, der im Rahmen der Weltklimakonferenz stattfand, wurde die neue Überarbeitung des Global Climate Observing System (GCOS) Implementation Plan vorgestellt und zur Annahme empfohlen. Der GCOS-Implementierungsplan integriert die Ergebnisse des Weltklimaberichts, des GCOS-Statusberichts und wissenschaftlicher Studien zu den Klimazyklen. Zudem enthält dieser Plan Empfehlungen für ein globales Klimabeobachtungssystem, das das gesamte Erdsystem – von der Atmosphäre bis zu den Ozeanen, von der Kryosphäre bis zur Biosphäre – abdeckt und die Wasser-, Energie- und Kohlenstoffkreisläufe umfasst. Ebenso sprachen sich Vertreter aus unterschiedlichen Organisationen und Institutionen, darunter die Raumfahrtagenturen, dafür aus, die Erdbeobachtung als legitimes Mittel zur Überprüfung der Klimaziele verstärkt zu verankern, insbesondere bei der Überwachung, Verifizierung und Berichterstattung (MVR) des Pariser Klimaabkommens.

Heutzutage liefern beispielsweise die DLR-Satelliten TerraSAR-X/TanDEM-X ein hochgenaues, dreidimensionales Abbild unserer Erde und tragen so zur Weiterentwicklung der Landoberflächenparameter bei. Der am 1. April 2022 gestartete Satellit EnMAP wird in Zukunft in Kombination mit Sentinel-5P-Messungen zur genauen Charakterisierung von Methanquellen beitragen. Die künftige deutsch-französische LIDAR-Mission MERLIN konzentriert sich auf Messung des globalen Methangehalts, sowohl bei Tag wie auch bei Nacht. Sie wird Methanquellen erfassen können, die zum Teil großflächig, aber mit geringer Konzentration Methan emittieren, wie etwa auftauende Permafrostböden.

Großen Widerhall in den wissenschaftlichen Berichten des IPCC findet seit Jahren die deutsch-amerikanische Mission GRACE beziehungsweise ihr Nachfolger GRACE-FO. Einmalig ist hier die Bestimmung der arktischen Eismassen beziehungsweise deren Veränderung, die es erlaubt, das Abschmelzen der Polarkappen abzuschätzen. Um die Kontinuität dieser wichtigen Messungen zu wahren, arbeitet das DLR zusammen mit dem Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ und der NASA an einer Nachfolgemission (ab 2028). Ergänzt um eine ESA-Mission (Next-Generation Gravity Mission, NGGM) zu einem späteren Zeitpunkt sollen weitere hydrologische Aspekte mit verbesserter Präzision ausgeleuchtet werden, die eine hohe Klimarelevanz haben.

Die DLR-Institute für Physik der Atmosphäre und Optische Sensorsysteme arbeiten an der Kleinsatellitenmission CO2Image, deren abbildendes Spektrometer eine für die Spurengasmessung außerordentlich hohe räumliche Auflösung erlaubt. So fungiert der Satellit wie eine Lupe zu beispielsweise den Copernicus-CO2M-Satelliten, indem er die Emissionen kleiner und mittlerer Kraftwerke und Industrieanlagen vermisst und auf diese Weise die Beiträge globaler Missionen ergänzt.

Hohe deutsche Beteiligung an der satellitengestützten Erdbeobachtung

Deutschland ist führend an den Erdbeobachtungsprogrammen der Europäischen Kommission, der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten EUMETSAT beteiligt. Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR gestaltet die Programme entsprechend der Zielsetzungen der Bundesregierung. Die nationalen Satellitenmissionen ergänzen dabei die europäischen Aktivitäten. Das DLR ist in der Erdbeobachtung – satelliten- sowie flugzeuggestützt – in großem Ausmaß aktiv und erforscht in seinen Instituten den globalen Wandel mit den unterschiedlichsten Missionen. Es entwickelt Archivierungs- und Prozessierungstechnologien, Algorithmen zur Ableitung relevanter Parameter aus Erdbeobachtungsdaten und analysiert die Ergebnisse. Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR fördert weitergehende Entwicklungen bei Universitäten und Forschungseinrichtungen.

Quelle: https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2022/04/20221115_cop27-erdbeobachtung-und-klimamodellierung-fuer-vorhersage-klimawandel