Neue Beobachtungen zeigen, dass Sterne sich durch dynamische Wechselwirkungen innerhalb interstellarer Gaswolken schneller als bislang angenommen bilden können / Untersuchung im Rahmen des FEEDBACK-Programmes an Bord der fliegenden Sternwarte SOFIA
Gaswolken, in denen in der Cygnus X Region neue Sterne entstehen, sind aus einem dichten Kern aus molekularem Wasserstoff (H2) und einer atomaren Hülle zusammengesetzt. Diese Ensembles gehen miteinander dynamische Wechselwirkungen ein, um schnell neue Sterne zu bilden. Das ergaben Beobachtungen eines internationalen Teams, geleitet von Forscher*innen des Instituts für Astrophysik der Universität zu Köln und der Universität Maryland (USA). Bisher war nicht genau bekannt, wie dieser Prozess abläuft. Die Cygnus X Region ist eine ausgedehnte leuchtende Wolke aus Gas und Staub rund 5.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Mit Hilfe von Beobachtungen von Spektrallinien des ionisierten Kohlenstoffs (CII) zeigten die Wissenschaftler*innen, dass sich die Wolken dort in einigen Millionen Jahren bilden, was für astronomische Verhältnisse ein schneller Vorgang ist. Die Ergebnisse der Studie „Ionized carbon as a tracer for the assembly of interstellar clouds“ werden in der kommenden Ausgabe der Zeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht und sind bereits jetzt online abrufbar.
Die Beobachtungen wurden in einem internationalen Projekt unter der Leitung von Dr. Nicola Schneider von der Universität Köln und Prof. Alexander Tielens von der University of Maryland auf der fliegenden Sternwarte SOFIA (Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy) im Rahmen des FEEDBACK-Programms durchgeführt. Die neuen Erkenntnisse stehen im Gegensatz zu der bisherigen Lehrmeinung, dass dieser Prozess der Sternentstehung quasi-statisch und sehr langsam abläuft. Die nun beobachtete Form der dynamischen Entstehung würde auch die Bildung von besonders massereichen Sternen erklären.
Durch den Vergleich der Verteilung von ionisiertem Kohlenstoff, molekularem Kohlenmonoxid und atomarem Wasserstoff fand das Team heraus, dass die Hüllen von interstellaren Gaswolken aus Wasserstoff bestehen und mit bis zu zwanzig Kilometer pro Sekunde miteinander kollidieren. „Durch diese hohe Geschwindigkeit wird das Gas zu dichteren molekularen Gebieten komprimiert, in denen sich neue, hauptsächlich massereiche Sterne bilden. Wir brauchten die CII-Beobachtungen, um dieses ansonsten ‚dunkle‘ Gas zu detektieren“, sagt Dr. Schneider. Die Beobachtungen zeigen das erste Mal die schwache CII-Strahlung aus den Randgebieten der Wolken, die man bisher nicht beobachten konnte. Nur mit SOFIA und dessen empfindlichen Instrumenten konnte diese Strahlung auffangen.
SOFIA wurde bis September 2022 von der NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben. Das Observatorium bestand aus einer umgebauten Boeing 747 mit einem eingebauten 2,7-Meter-Teleskop. Koordiniert wurde es vom Deutschen SOFIA Institut (DSI) und der Universities Space Research Association (USRA). SOFIA beobachtete von der Stratosphäre (oberhalb von 13 Kilometern) aus den Himmel und deckte den infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums ab – also knapp jenseits dessen, was der Mensch sehen kann. Die Boeing ist damit über dem Großteil des Wasserdampfs der Erdatmosphäre geflogen, der ansonsten das Infrarotlicht abblockt. So konnten die Wissenschaftler*innen einen Wellenlängenbereich beobachten, der von der Erde aus nicht zugänglich ist. Für die aktuellen Ergebnisse nutzte das Team den 2015 auf SOFIA installierten Empfänger upGREAT des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn und der Universität Köln.
Auch wenn SOFIA nicht mehr fliegt, sind die bisher gemessenen Daten von großer Bedeutung für die astronomische Grundlagenforschung, weil es kein Instrument mehr gibt, das in diesem Wellenlängenbereich (typischerweise 60 bis 200 Mikrometer) ausgedehnte Kartierungen anfertigt. Das jetzt aktive James Webb-Weltraumteleskop beobachtet im Infrarotbereich bei kürzeren Wellenlängen und konzentriert sich auf räumlich kleine Gebiete. Daher dauert die Analyse der bisher gesammelten SOFIA-Daten an und liefert weiterhin wichtige Erkenntnisse – auch zu anderen Sternentstehungsregionen: „In der Liste der FEEDBACK Quellen befinden sich weitere Gaswolken in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, in denen wir jetzt die schwache CII-Strahlung in den Randgebieten der Wolken suchen, um ähnliche Wechselwirkungen wie in der Cygnus X Region aufzuspüren“, so Schneider.